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Verbraucherrecht

Jugendschutz: Weinautomat auf Privatgelände muss außer Betrieb bleiben

Der Betrieb eines Weinautomaten auf einem Privatgrundstück darf verboten werden. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz

 

Verstoß gegen Jugendschutz?

Die Klägerin betreibt einen Automaten, in dem sie selbst erzeugten Wein und Sekt zum Verkauf anbietet. Der Automat steht seit Anfang 2023 auf einem Privatgrundstück; er ist an der Grenze zum öffentlichen Verkehrsraum aufgestellt und nur von der Straße aus zu bedienen. Ende April 2023 gab die Gemeinde der Klägerin gemäß Jugendschutzgesetz auf, den Weinautomaten außer Betrieb zu nehmen. Die Klägerin erhob nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage.

Kein Verkauf in der Öffentlichkeit

Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin, so das VG, dürfe den Weinautomaten aufgrund der Vorschriften des Jugendschutzgesetzes nicht betreiben. Denn danach dürften alkoholische Getränke in der Öffentlichkeit nicht in Automaten angeboten werden. Zwar sehe das Jugendschutzgesetz eine Ausnahme davon u. a. vor, wenn der Weinautomat in einem gewerblich genutzten Raum aufgestellt sei. An dieser Voraussetzung fehle es jedoch, da sich der Automat auf dem Privatgrundstück der Klägerin befinde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass Zigarettenautomaten unabhängig von dem Belegenheitsort bereits dann aufgestellt werden dürften, wenn eine jugendschutzkonforme Abgabe durch technische Vorrichtungen sichergestellt sei. Die unterschiedliche Behandlung von Zigaretten- und Alkoholautomaten sei aufgrund der verschiedenen Wirkweisen von Nikotin und Alkohol gerechtfertigt.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 27.5.2024, 3 K 972/23.KO, PM 14/24

Entschädigungsbegehren: Thrombose kein Schaden nach mRNA-Impfung

Das Landessozialgericht (LSG) Bayern hat entschieden: Für den „Nachweis“ des Zusammenhangs zwischen einer Unterschenkelvenenthrombose und einer Impfung mit einem mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 genügt zwar der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit. Fehlende konkurrierende Ursachen reichen aber nicht aus.

Das war geschehen

Der 1968 geborene Kläger wurde am 3.7.2021 mit dem Impfstoff Comirnaty (Biontech/Pfizer) gegen Covid-19 geimpft. Am 16.7.2021 wurde bei ihm eine Unterschenkelvenenthrombose rechtsseitig diagnostiziert. Den vom Kläger daraufhin gestellten Antrag auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens lehnte der beklagte Freistaat Bayern mit der Begründung ab, dass sich nach den Erkenntnissen des Paul-Ehrlich-Instituts für den Impfstoff Comirnaty keine signifikante Erhöhung an Thromboseereignissen ergebe. Auch der Widerspruch, den der Kläger im Wesentlichen damit begründet hatte, dass sich die Beschwerden bereits wenige Tagen nach der Impfung eingestellt hätten, blieb erfolglos. Das Sozialgericht (SG) München wies die Klage ab, nachdem der mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragte Internist zu dem Ergebnis gekommen war, dass im direkten Anschluss an die Impfung keine Gesundheitsstörung dokumentiert worden sei.

So sah es das Landessozialgericht

Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen, nachdem auch die durch den Senat beauftragte Kardiologin in ihrem Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis gekommen war, dass die vom Kläger erlittene Unterschenkelvenenthrombose nach den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty stehe.

Die Anerkennung als Impfschaden gemäß Infektionsschutzgesetz (hier: § 2 Nr. 11, 1. Halbsatz IfSG) setze voraus, dass die Schutzimpfung zu einer gesundheitlichen Schädigung, also einem „Primärschaden“ in Form einer Impfkomplikation geführt habe, die wiederum den „Impfschaden“, d.h. die dauerhafte gesundheitliche Schädigung, also einen „Folgeschaden“ bedinge. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen müsse im Vollbeweis nachgewiesen sein. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich, sei ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch am Vorliegen der Tatsachen zweifele und somit eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliege. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen den drei Gliedern der Kausalkette reiche (nach § 61 S. 1 IfSG) der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit aus.

Kläger blieb Nachweis schuldig

Ausgehend von diesen Grundsätzen habe sich das OLG nicht davon überzeugen können, dass beim Kläger ein Impfschaden vorliege, weil es bereits am Nachweis einer Primärschädigung fehle. Die Beinvenenthrombose, die beim Kläger bestanden habe und die in einem gewissen durchaus relativ engen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten sei, sei nicht Folge der Impfung des Klägers gegen Covid-19. Ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang im o.g. Sinne sei nicht gegeben. Die Sachverständige habe plausibel dargelegt, dass es zwar durchaus Hinweise darauf gebe, dass Impfstoffe das generelle Thromboserisiko erhöhen würden. Die teilweise lebensgefährlichen Thrombosen nach Covid-19-Impfungen vor allem in hierfür ungewöhnlichen Venen würden auf der Auslösung der Bildung von Autoantikörpern durch speziell in den Vektorimpfstoffen (Astrazeneca-Vaccephrin) enthaltenen adenoviralen Antigenen beruhen. Hierdurch könne eine Signalkaskade ausgelöst werden, die zu einer massiven Thrombozytenaktivierung führe mit einerseits Thrombenbildung und andererseits Thrombozytenmangel im Blut mit Blutungsneigung (VITT). Eine derartige Konstellation mit Thrombose, Nachweis von Autoantikörpern gegen den Thrombozytenfaktor 4 und Thrombozytenmangel sei beim Kläger aber nicht festgestellt worden, vielmehr habe eine normale Thrombozytenzahl bestanden.

Sachverständiger überzeugte

Vor allem habe die Sachverständige darüber hinaus überzeugend dargestellt, dass eine solche Konstellation beim Kläger auch nicht zu erwarten gewesen sei, da er nicht mit einem Vektorimpfstoff, sondern mit dem mRNA-Impfstoff geimpft worden sei. Die Sachverständige habe nachvollziehbar festgestellt, dass nach Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff eine derartige thrombogene Konstellation so gut wie nie beobachtet worden sei. Für einen kausalen Zusammenhang zwischen Impfungen mit einem mRNA-Impfstoff und Thrombosen gebe es keine seriöse wissenschaftliche Lehrmeinung.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Quelle | LSG Bayern, Urteil vom 30.4.2024, L 15 VJ 2/23, PM 2/24

Arbeitsunfall: Erkundungsfahrt ohne Kunden: Fahrtrainer trotzdem gesetzlich unfallversichert

Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Sie erfasst Arbeitnehmer, teilweise sind aber auch Unternehmer versichert oder können sich freiwillig versichern lassen. Voraussetzung des Versicherungsschutzes bei einem Unfall ist dabei, dass dieser bei der versicherten betrieblichen Tätigkeit erfolgt und damit ein Arbeitsunfall ist. Was zur betrieblichen Tätigkeit und was zum privaten Bereich gehört, ist oft strittig und Kernfrage sozialgerichtlicher Verfahren. Einen solchen Fall hatte das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zu klären.

 

Fahrlehrer suchte passende Strecke

Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls war in einem Fall eines selbstständigen und gesetzlich unfallversicherten Motorrad-Fahrtrainers dem Kläger vor dem LSG zu klären. Der Kläger erlitt eine Luxation der linken Schulter, als er im April 2019 bei einer allein unternommenen Fahrt mit ca. 50 km/h in einer Kurve stürzte. Der Unfallort lag etwa 50 km von seinem Wohn- und Unternehmenssitz im Landkreis Tübingen entfernt. Seiner gesetzlichen Unfallversicherung der Beklagten teilte er mit, er habe am nächsten Tag einen Schüler mit speziellen Problemen bei Serpentinen gehabt und sei deswegen auf der Suche nach der passenden Strecke für die Schulung gewesen. Er könne sein Fahrtraining nur ordentlich durchführen, wenn er perfekte Orts- und Straßenkenntnisse habe. Umso wichtiger sei dies am Anfang der Saison, da sich über den Winter Straßen oft gravierend verändern würden.

Keine Anerkennung als Arbeitsunfall

Die Beklagte erkannte das Ereignis nicht als Arbeitsunfall an, da es sich um eine unversicherte Vorbereitungshandlung gehandelt habe. Vorbereitende Tätigkeiten wie z. B. eine „Erkundigungsfahrt“ zur Arbeit seien grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Ausnahmsweise seien Vorbereitungshandlungen u. a. versichert, wenn der jeweilige Versicherungstatbestand nach seinem Schutzzweck auch Vor- und Nachbereitungshandlungen erfasse, die für die versicherte Hauptverrichtung im Einzelfall notwendig sind und in einem sehr engen sachlichen, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Hier fehle es an einem engen Zusammenhang zwischen der behaupteten Vorbereitungshandlung und der erst am Folgetag vorgesehenen versicherten Tätigkeit.

Erfolg in der Berufung

Nachdem das Sozialgericht (SG) die Klage in erster Instanz abwies, hatte der Kläger mit seiner Berufung Erfolg. Das LSG Baden-Württemberg stellte fest, dass der fragliche Unfall ein Arbeitsunfall gewesen ist.

Landessozialgericht sah versicherte Tätigkeit

Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass die Unfallfahrt zu der versicherten Tätigkeit des Klägers gehört habe. Dieser sei zu seiner unfallbringenden Motorradfahrt allein aus dem Grund aufgebrochen, um für seine am nächsten Tag geplante Trainingsfahrt eine geeignete und sichere Strecke zu testen, was objektiv dem Ziel seines bei der Beklagten versicherten Unternehmens gedient und hierzu auch nicht in einem wirtschaftlichen Missverhältnis gestanden habe. Zwar könne es unwirtschaftlich erscheinen, für ein Fahrsicherheitstraining von ca. einem halben Tag Dauer eine so weit vom Wohnsitz des Klägers entfernte Strecke zu wählen, und diese dann auch noch am Vorabend auf eigene Kosten abzufahren. Insoweit sei aber wiederum der Hinweis des Klägers nachvollziehbar, dass bereits auf der Hinfahrt zu der Strecke der Fahrschüler professionell beobachtet werde. Zudem sei eine solche Erkundungsfahrt auch nach den Einlassungen des Klägers nicht die Regel und sei hier vorrangig dem Beginn der Motorradsaison und den hiermit verbundenen Unwägbarkeiten bezüglich geeigneter Straßenbeläge geschuldet gewesen.

Sofern wie hier festzustellen sei, dass eine Tätigkeit selbst als versicherte Tätigkeit anzusehen ist, könne diese nicht mehr als unversicherte Vorbereitungshandlung qualifiziert werden. Es habe zur seriösen Geschäftsausübung des Klägers gehört, dass er Fahrsicherheitstrainings nicht auf Strecken anbot, die nach der Winterpause ein unbekanntes Gefahrenpotential aufwiesen. Das Abfahren der Strecke sei daher objektiv sinnvoll und Teil der den Fahrschülern geschuldeten Hauptleistung als vertragliche Nebenpflicht, durch geeignete Maßnahmen eine Gefährdung der Fahrschüler so weit wie möglich und vertretbar zu reduzieren.

„Geschäftsmodell“: Wucher: Kauf von Kraftfahrzeugen mit anschließender Rückvermietung

Kauft ein Pfandleihhaus ein Kraftfahrzeug an, um es anschließend an den Verkäufer wieder zu vermieten und beträgt der Marktwert des Fahrzeugs das Fünf- bis Sechsfache des vereinbarten Kaufpreises, sind Kauf- und Mietvertrag wegen Wucher nichtig. Der Verkäufer kann die gezahlten Mieten zurückverlangen, ohne sich den erhaltenen Kaufpreis anrechnen lassen zu müssen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Pfandhaus kauft Fahrzeuge an und vermietet sie wieder

Die Beklagte betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Ihr Geschäftsmodell ist darauf gerichtet, Kraftfahrzeuge den Eigentümern abzukaufen und sie ihnen nachfolgend gegen monatliche Zahlungen zu vermieten. Nach Ende der Mietzeit erhält die Beklagte das Fahrzeug zurück und darf es öffentlich versteigern.

Die Klägerin verkaufte ihr Fahrzeug 2020 an die Beklagte für 3.000 Euro. Der Händlereinkaufspreis lag bei rund 15.000 Euro, der objektive Marktwert bei mehr als 18.000 Euro. Anschließend mietete die Klägerin das Fahrzeug für 297 Euro monatlich zurück und übernahm die Kosten für Steuern, Versicherung, Wartung und Reparaturen. Nach Kündigung des Vertrags durch die Beklagte gab die Klägerin das Fahrzeug nicht zurück. Der Beklagten gelang es nicht, das Fahrzeug sicherzustellen.

Klage erfolglos

Auf die Klage hin verurteilte das Landgericht (LG) die Beklagte, die geleistete Miete zurückzuzahlen und stellte fest, dass die Klägerin ihr Eigentum an dem Fahrzeug nicht verloren hat. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Sittenwidrigkeit: Kauf- und Mietvertrag nichtig

Sowohl der Kauf- als auch der Mietvertrag seien nichtig, begründete das OLG seine Entscheidung. Sie seien als wucherähnliche Geschäfte sittenwidrig. Es liege ein grobes und auffälliges Missverhältnis zwischen Marktwert und Kaufpreis vor, da gemäß den überzeugenden sachverständigen Ausführungen der Marktwert des Fahrzeugs über dem fünf- bis sechsfachen des Kaufpreises gelegen habe.

Auf die verwerfliche Gesinnung der Beklagten könne angesichts dieses Missverhältnisses ohne Weiteres geschlossen werden. Angesichts des Geschäftsmodells sei auch davon auszugehen, dass sich die Beklagte den mit Abschluss des Kaufvertrags erzielten Mehrwert endgültig habe einverleiben wollen, auch wenn im Fall der Versteigerung des Fahrzeugs nach Mietende ein etwaiger Mehrerlös dem Verkäufer hätte zugewandt werden müssen. Kauf- und Mietvertrag bildeten dabei ein einheitliches Rechtsgeschäft. Die Klägerin habe das Fahrzeug nur verkaufen wollen, wenn sie es zugleich weiter nutzen könne. Der Mietvertrag sei damit ebenfalls nichtig und die gezahlte Miete zurückzuzahlen.

Keine Rückzahlung des Kaufpreises

Obwohl die Klägerin das Eigentum an dem Fahrzeug nicht verloren habe, müsse sie wegen der sittenwidrigen Übervorteilung auch nicht den Kaufpreis an die Beklagte zurückzahlen. Die Beklagte könne den Kaufpreis nicht zurückverlangen, da ihr objektiv ein Sittenverstoß anzulasten sei und sie sich angesichts des auffälligen Missverhältnisses der Rechtswidrigkeit ihres Handelns zumindest leichtfertig verschlossen habe.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.4.2024, 2 U 115/20, PM 26/24